Wie können Beiräte von Menschen mit Behinderungen gestärkt werden? – Antworten vom 2. Fachgruppengespräch
Beteiligung als Menschenrecht
Wussten Sie, dass Beteiligung ein Menschenrecht ist? So steht es in Artikel 21 der UN-Menschenrechtskonvention. Besonders wichtig ist dieses Recht für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind und deren Anliegen oft nicht ausreichend gehört werden – wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen. Dies wird in Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention noch einmal explizit bestätigt. Doch keine Sorge – dieser Blogbeitrag soll keine Rechtsbelehrung sein. Mit diesem Einstieg wollen wir verdeutlichen: Beteiligung ist weit mehr als ein „nice-to-have“.
Beiräte als Beteiligungsinstrument
Eine viel genutzte Möglichkeit, Beteiligung praktisch umzusetzen, sind Beiräte. Es gibt Elternbeiräte, Betriebsräte, Kinder- und Jugendbeiräte und noch viele mehr. Ihre Aufgabe ist es, Interessen zu vertreten – in den genannten Beispielen die Interessen von Eltern, Arbeitnehmer*innen und Kinder- und Jugendlichen. Trotz ihrer Unterschiede haben alle Beiräte eine Gemeinsamkeit: sie sind Beratungsgremien. Das heißt, ein Beirat kann in den meisten Fällen nur Vorschläge machen und Diskussionen anstoßen, hat aber keine Entscheidungsmacht. Doch das heißt nicht, dass Beiräte wirkungslos sind. Es bedeutet aber: Ihre Wirksamkeit hängt von verschiedenen Bedingungen ab – etwa vom rechtlichen und organisatorischen Rahmen, aber auch von der Haltung derer, die sie beraten. Kurz gesagt: Die Wirkung eines Beirats ist stark von seinem Umfeld abhängig.
Stärkung von Beiräten in der Praxis
Diese Erfahrung machen wir auch in unserer aktuellen Kooperation „Einmischen? Mitmischen!“ mit der Landesbehindertenbeauftragten Simone Fischer. Gemeinsam entwickeln und erproben wir ein Fortbildungskonzept, das Bewohnerbeiräte und ähnliche Gremien stärken soll. Dabei arbeiten wir eng mit Menschen mit Behinderungen zusammen, die sich in Beiräten der Johannes-Diakonie Mosbach, der Zieglerschen in Wilhelmsdorf und des Landesverbands der Lebenshilfe Baden-Württemberg in Stuttgart engagieren.
Was uns dabei besonders auffällt: Beiräte, die eine Vertrauensperson zur Unterstützung haben, können ihre Arbeit effektiver erledigen. Dasselbe gilt für Beiräte, deren Rechte und Pflichten eine rechtliche Grundlage haben – sei es durch gesetzliche Regelungen oder organisationsinterne Satzungen.
Fachgruppengespräch: Was ist ein beteiligungsfreundliches Umfeld für Beiräte?
Um auch über unsere eigene Kooperation hinauszuschauen, haben wir am 19.03.2025 ein Fachgruppengespräch veranstaltet. Die zentrale Frage war: Was ist ein beteiligungsfreundliches Umfeld für Beiräte von Menschen mit Behinderungen? Die Veranstaltung brachte eine breite Vielfalt an Wissen und Erfahrungen zusammen. Teilnehmende aus verschiedenen Bereichen – darunter kommunale Behindertenbeauftragte und -beiräte, Bewohnerbeiräte und Vertrauenspersonen, Mitglieder des Landesbehindertenbeirats sowie Interessenvertreter*innen aus Tagesstätten und Verbänden – diskutierten gemeinsam.
Herausforderungen und Lösungsansätze
In intensiven Diskussionen an sechs Gruppentischen wurden zwei Kernfragen bearbeitet:
- Welche Probleme haben Beiräte für Menschen mit Behinderungen bei ihrer Arbeit?
- Welche Lösungen gibt es für diese Probleme?
Besonders wichtige Themen waren:
- Die Rolle der Vertrauensperson: Vertrauenspersonen sind essenziell für die Unterstützung von Beiräten. Jedoch haben sie oft wenig Zeit und werden nicht oder nur unzureichend entlohnt. Ein Lösungsansatz wäre eine gesetzlich geregelte Finanzierung und genügend Arbeitszeit.
- Vielfalt an Informationen: Beiräte müssen viele Informationen verarbeiten, die nicht immer barrierefrei oder verständlich aufbereitet sind. Leichte Sprache und digitale Hilfsmittel wie künstliche Intelligenz könnten hier helfen.
- Mangelnde Akzeptanz: Beiräte werden häufig als freiwillige Ergänzung betrachtet und nicht ernst genommen. Sensibilisierungsmaßnahmen von Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft könnten hier zu mehr Anerkennung führen.
- Unklare rechtliche Lage: Viele Beiräte haben keine oder eine unklare rechtliche Grundlage, was ihre Arbeit erschwert. Lösungsvorschläge sind die Rechtsmittelfreiheit für Menschen mit Behinderungen, eine einheitliche Gesetzesregelung in möglichst allen Bundesländern sowie mehr Fachanwälte für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, um rechtliche Unsicherheiten zu minimieren und Beiräte besser zu unterstützen.
Vernetzung als Schüssel zur Stärkung der Beiräte
Ein wiederkehrendes Thema war die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung, um gemeinsame Anliegen effektiver durchsetzen zu können. Dieses Problem haben die Teilnehmenden bereits vor Ort in die Hand genommen, indem sie uns baten, die Kontaktdaten der Interessierten weiterzugeben. Wir freuen uns über diesen Vorschlag und unterstützen ihn gerne!
Engagement und Ausblick
Dieses Beispiel zeigt das große Engagement der Teilnehmenden. Ob in den Diskussionen im Plenum, in den Kleingruppen oder beim Feedback im Nachgang – es war deutlich zu spüren, wie viel Lust auf Mitgestaltung vorhanden ist. Aber auch, dass es frustrierend sein kann, wenn berechtigte Anliegen nicht gehört werden und Beteiligung nicht ausreichend zugelassen wird. Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmer*innen dafür, dass Sie Ihr Wissen eingebracht haben und hoffen, Sie konnten einige Impulse aus dem Fachgruppengespräch mitnehmen! Wir als Allianz für Beteiligung haben auf jeden Fall viel gelernt!
Interesse am Thema?
Haben Sie Interesse am Thema? Dann haben Sie mehrere Möglichkeiten:
- Kontaktieren Sie Annika Bachmann für die Dokumentation der Veranstaltung (annika.bachmann@afb-bw.de; 0711 34225614)
- Merken Sie sich den Termin für das 3. Fachgruppengespräch am 02.07.2025 vor. Die Anmeldung ist noch nicht möglich, aber Sie können Annika Bachmann schreiben, um benachrichtigt zu werden, sobald es losgeht.
- Treten Sie unserem Netzwerk bei! Lassen Sie sich in unsere Netzwerkmail eintragen, um aktuelle Informationen zur Kooperation „Einmischen? Mitmischen!“ und weiteren Beteiligungsthemen zu erhalten.