Warum eine BREITE Beteiligung?
Im Juli fand unser diesjähriges Netzwerktreffen in Tübingen statt. Thematisch setzten wir den Fokus auf “Breite Beteiligung”. Wir sprechen dann von Breiter Beteiligung, wenn sich alle Menschen ohne Hürden beteiligen können, wenn sie wollen. In seinem Einführungsvortrag begründete Wolfgang Klenk, 1. Vorsitzender der Allianz für Beteiligung, die Notwendigkeit Breiter Beteiligung. Ein Einlösen dieser Anforderung erfordert zusätzliche Anstrengungen und Sorgfalt bei Vorbereitung und Umsetzung von Beteiligungsvorhaben. Klenk: „Wenn es darum geht, immer möglichst vielen Menschen Teilhabe zu ermöglichen, darf es möglichst wenige Barrieren geben, die Beteiligung erschweren oder gar verhindern.“ Es genüge eben nicht, wenn Beteiligung prinzipiell möglich ist. Um diesem prinzipiellen Anspruch Geltung zu verschaffen, seien zusätzliche Anstrengungen nötig.
Es geht dabei auch darum, die eigenen Konzepte systematisch daraufhin zu überprüfen, ob der Anspruch auf Breite Beteiligung eingelöst wird und dann, wo immer möglich, gezielt bestehende Barrieren abzubauen. Dazu bietet es sich an, aus Beispielen und Konzepten von Kolleg*innen zu lernen, im Rahmen kollegialer Beratung Breite Beteiligung zum Thema machen und in Teams arbeiten, denen auch Menschen angehören, die andere Perspektiven miteinbringen. Der Grundsatz – »Nicht über uns ohne uns!« – darf sich nicht nur auf die Beteiligungsverfahren selbst, sondern muss sich auch auf deren Planung und Durchführung beziehen. Deshalb sollten, möglichst Betroffene von Beginn an, also bereits bei Vorbereitung und Planung von Beteiligungsprozessen beteiligt und aktiv involviert sein. Möglichkeiten dafür sind:
- Betroffene bereits bei der Gestaltung bzw. Planung eines Prozesses (Planung, Durchführung, Moderation) zu inkludieren.
- Sie in die Begleitung eines Prozesses einzubeziehen (z.B. in einer Begleitgruppe),
- oder ihre Interessen durch geeignete Fachleute entweder bei der Gestaltung oder in die Begleitung von Beteiligungsprozessen einzubringen (Anwaltsprinzip).
Auch bei der Vorbereitung dieses Fachtags wurden im Vorfeld unterschiedliche Gruppen beteiligt. Die Allianz für Beteiligung versteht sich selbst hier als „lernende Organisation“.
Breite Beteiligung bedeutet fast immer Mehraufwand. Das kann heissen: mehr Zeit, mehr organisatorischer Aufwand und höhere Kosten. Dieser Mehraufwand lohnt sich aber, weil die Beteiligung „an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes“ das Recht jedes Menschen ist (UN-Menschenrechtskonvention Art. 21). Die mit dem Anspruch auf breite Beteiligung verbundenen Anstrengungen lohnen sich aber auch deshalb, weil gelungene Beteiligung das Gemeinwesen und den gesellschaftlichen Zusammenhang stärkt und damit ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie insgesamt ist.
Im Anschluss an den Vortrag setzte bereits eine sehr angeregte Diskussion im Plenarsaal ein, und es gab eine ganze Reihe an Fragen, bestätigenden Praxisbeispielen, Zustimmung und Widerrede zu den genannten Punkten. Viele Kommentare bezogen sich auf das Spannungsfeld zwischen der Qualität und Quantität von Beteiligungsprozessen und den gesellschaftlichen Implikationen vom einen und vom anderen. Weitere Fragen drehten sich um den richtigen Moment für einen breiten Beteiligungsprozess: wann ist es angemessen nur zielgruppenspezifisch zu arbeiten, und wann ist es sinnvoll einen Prozess zu öffnen? In der anschließenden Pause wurde beim ersten oder zweiten Kaffee des Tages angeregt weiterdiskutiert. Viele der offenen Fragen und Herausforderungen beim Thema Breite Beteiligung wurden bei der nachfolgenden Fish-Bowl Diskussion aufgegriffen oder vertieft.
Autor: Wolfgang Klenk, 1. Vorsitzender der Allianz für Beteiligung