Nürtingen im Dialog zu Flucht, Asyl und Migration
Die Themen Flucht, Asyl und Migration prägen zunehmend den öffentlichen Diskurs und werfen Fragen nach Integration und dem gesellschaftlichem Zusammenleben auf. In Nürtingen nehmen viele Menschen die Herausforderungen im Zusammenhang mit Migration wahr, was zu Verunsicherung und gesellschaftlicher Polarisierung führt. Hinter diesen Meinungen stehen häufig Ängste, die nur selten offen ausgesprochen werden. Im Rahmen unseres Förderprogramms „Nachbarschaftsgespräche“ hat die nn-akademie zusammen mit dem Integrationsbüro der Start Nürtingen mutig den Dialog gesucht.
Dafür trafen sich rund 45 Bürger*innen an einem Montagabend in der Nürtinger Kreuzkirche, um sich über die vielschichtigen Themen auszutauschen. Unter ihnen war auch über den gesamten Abend hinweg Bürgermeisterin Annette Bürkner. Ziel des Formats mit dem Titel „Dialograum“ war es, einen offenen, wertfreien Kommunikationsprozess zu fördern, der auf intensives Zuhören statt reines Debattieren setzt.
Struktur und Ablauf des Dialogs
Zu Beginn der Veranstaltung wurden die Teilnehmenden in neun Kleingruppen zu je vier Personen aufgeteilt. Jede Gruppe erhielt drei zentrale Fragestellungen:
- Wie empfinden Sie in Ihrem privaten und beruflichen Umfeld das Zusammenleben von Einheimischen und Menschen mit Migrationsbiographie?
- Hat sich Ihr Empfinden diesbezüglich im Laufe der Zeit verändert?
- Was wünschen Sie sich für ein gutes Miteinander?
Die Methode des Dialograums gab jeder Person drei Minuten, um auf die Fragen zu antworten, ohne dass die anderen Gruppenmitglieder intervenierten oder kommentierten. Dieses Format zielte darauf ab, allen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken ungestört zu artikulieren und gleichzeitig zuzuhören, ohne direkt zu bewerten. Nach der individuellen Redezeit folgte ein kurzer Reflexionsaustausch, bei dem die Teilnehmenden ihre Erfahrungen mit dem Format schilderten.

Reflexion und Ergebnisse
Die Teilnehmenden empfanden die Atmosphäre des Abends als angenehm und respektvoll. Die Struktur des Dialograums ermöglichte es, dass sich innerhalb der Kleingruppen schnell eine Vertrautheit entwickelte, die den Austausch begünstigte. Dennoch wurde deutlich, dass die Gruppe hinsichtlich ihrer Ansichten weitgehend homogen war. Es gab nur wenige kontroverse Meinungen, da überwiegend Menschen teilnahmen, die bereits ähnliche (offene) Haltungen in der Migrationsdebatte vertraten. Dieser Umstand führte zu der Überlegung, in zukünftigen Veranstaltungen gezielter Menschen mit abweichenden Ansichten einzuladen und mit ihnen diese Art der Beteiligung auch gemeinsam vorzubereiten, um eine größere Meinungsvielfalt zu gewährleisten.
Es wurde zudem betont, dass der „Dialograum“ bewusst ergebnisoffen gestaltet war. Er sollte nicht zu konkreten Lösungen führen, sondern vielmehr einen Raum bieten, in dem Menschen ins Gespräch kommen können, ohne Angst vor Widerspruch oder Ablehnung zu haben. Die Herausforderung, auch kritische Stimmen zu integrieren, bleibt jedoch bestehen. Einige Teilnehmende sprachen an, dass es schwierig sei, die eigene Meinung zu äußern, wenn man mit Gegenwind rechnet, was verdeutlicht, wie sensibel der Umgang in Beteiligungsprozessen mit kontroversen Positionen gestaltet werden muss.

Ausblick
Die Veranstaltung wurde als erfolgreicher Auftakt für weitere Dialogformate angesehen, die den gesellschaftlichen Austausch in Nürtingen fördern sollen. Ein zentraler Aspekt für zukünftige Veranstaltungen wird sein, auch Personen zu erreichen, die kritischer auf das Thema Migration blicken. Dies soll durch gezielte Ansprache und eine noch bewusstere Einladungskultur erreicht werden. Trotz der Homogenität des Abends bleibt das Fazit: Demokratie lebt vom offenen Austausch – und der „Dialograum“ bietet hierfür ein wertvolles Format, das zur Förderung des Verständnisses und des respektvollen Miteinanders beitragen kann.
Autor: Hauke Hamann