NACHBARSCHAFTSGESPRÄCHE: EINBLICKE INS FÖRDERPROGRAMM

19. März 2020

GEMEINSAM – Das ist auch in Corona-Zeiten beim Förderprogramm „Nachbarschaftsgespräche. Zusammenleben – aber wie?“ das Ziel! Wie kann es gelingen, dass wir unterschiedliche Personen in einem Quartier über ihre Bedarfe, Wünsche und Ängste in den Austausch bringen? Die Berichte der letzten Tage aus Baden-Württemberg und darüber hinaus zeigen: Kreativität und der digitale Austausch sind gefordert!

Wir möchten Sie als Kommune und Sie als zivilgesellschaftlichen Akteur dazu ermutigen, auch in diesen Tagen den Austausch mit den Einwohnern mit und ohne Handicaps sowie mit und ohne Migrationshintergrund aufzusuchen. Die Einwohner im Quartier abholen, ihnen zuhören und gemeinsam entsprechende Maßnahmen für die Zukunft vor Ort erarbeiten:

Seien Sie kreativ und gestalten Sie Ihr Nachbarschaftsgespräch auch digital!

Wenn Sie auch mit Ihren Einwohnern Nachbarschaftsgespräche angehen wollen, dann melden Sie sich gerne bei uns. Wir bieten auch weiterhin Beratungsgespräche in Form von Telefonkonferenzen an.

Im Austausch bleiben: Gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort gestalten

Moderiertes Gespräch zu Beginn v.l.n.r.: Ursula Zitzler, Michael Vollmann, Dr. Miriam Freudenberger, Gisela Erler, Susanne Berger © Jochen Gabriel – Büro für Gestaltung

 

Im vergangenen Herbst diskutierten wir beim Netzwerktreffen des Förderprogramms im Literaturhaus Stuttgart unter dem Motto:

„Gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort gestalten! Erfahrungen aus den ‚Nachbarschaftsgesprächen‘ – und darüber hinaus“.

Im Rahmen eines moderierten Gesprächs diskutierte die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, gemeinsam mit Michael Vollmann von der nebenan.de Stiftung gGmbH aus Berlin. Ebenfalls auf dem Podium waren Susanne Berger von den Nachbarschaftsgesprächen aus Dornstadt sowie Ursula Zitzler von den Nachbarschaftsgesprächen in Ostfildern.

In der Diskussion wurde deutlich, dass für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt vor allem der Dialog notwendig ist. Dieser kann unterschiedlich gestaltet sein. Er ist über das direkte Gespräch oder auch über Internetplattformen möglich. Um einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gestalten wurden im Zuge der Diskussion Aspekte wie u.a. die Langfristigkeit eines Dialogs, die Notwendigkeit einer gemeinsam zu bewältigenden Aufgabe sowie das Empfinden einer Selbstwirksamkeit genannt.

Einblick in ein Forengespräch
© Jochen Gabriel – Büro für Gestaltung

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die vielfältigen Herangehensweisen einer aufsuchenden Beteiligung. So war es uns ein Anliegen, dass die Projekte der Nachbarschaftsgespräche untereinander über ihre Ideen in Austausch kommen. Es freute uns sehr, dass darüber hinaus auch Vertreter von Projekten außerhalb der Landesgrenzen bei der Veranstaltung dabei waren und weitere Impulse einbrachten. Diese sind: die Dorfgespräche, das Programm „Engagierte Stadt“ und die  Kneipengespräche. In kleineren Foren, ähnlich der Gesprächsrunden bei den tatsächlichen Nachbarschaftsgesprächen, fanden sich die Teilnehmer zusammen. Jedes Forum bearbeitete einen unterschiedlichen Themenschwerpunkt rund um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eingeleitet wurden sie mit einem moderierten Impulsgespräch. Dieses wurde jeweils mit einem Gastprojekt außerhalb Baden-Württembergs und einem Vertreter eines Nachbarschaftsgesprächs geführt:

  • Forum 1 Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht Vielfalt!
  • Forum 2 Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht Partner!
  • Forum 3 Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht strategische Vernetzung!
  • Forum 4 Gesellschaftlicher Zusammenhalt braucht Weiterentwicklung!

Die ausführliche Dokumentation können Sie auf unserer Homepage einsehen. Ebenso können Sie dort die Zwischenevaluation der Nachbarschaftsgespräche einsehen.

Wir haben den Austausch an diesem Tag, während der Foren oder beim Ausklang am Buffet, als sehr gewinnbringend empfunden. Auf diese Weise erfuhren wir von Stolpersteinen, von Überraschungsmomenten vor Ort sowie von neue Ideen, die aus den Nachbarschaftsgesprächen heraus entstanden waren.

Wir stehen auch weiterhin mit den Projekten außerhalb Baden-Württembergs in Kontakt. So konnten wir Anfang des Jahres 2020 auf der Veranstaltung „Was hält die Gesellschaft zusammen – was treibt sie auseinander?“ des Zentrums für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld teilnehmen. Hier gestalteten wir gemeinsam mit den Kneipengesprächen der Körber-Stiftung ein Panel und konnten uns an der Diskussion beteiligen. Auch die Fortsetzung der Kneipengespräche, in Form von „Ruhrgebiet besser machen“, konnten vor den Corona-Maßnahmen noch abgeschlossen werden. Die anschließenden Ideenwerkstätten finden nun digital mit Hilfe von „Zoom“ statt. Daneben werden auch die Dorfgespräche in weiteren Bundesländern fortgeführt. Die ersten Schritte werden hierbei auch auf digitalem Weg gegangen.

Die Nachbarschaftsgespräche bei Ihnen vor Ort!

Zu Besuch in Holzgerlingen: „Oh Gott!“ Lebensfeste der Religionen

 

Ankunft an Burg Kalteneck
© Allianz für Beteiligung

Auch nach Ende der Nachbarschaftsgespräche „Wir sind Holzgerlingen“ geht es vor Ort mit dem Dialog weiter. Wir besuchten das erste Treffen der Fortsetzung der Nachbarschaftsgespräche. In der Burg Kalteneck fanden sich im März interessierte Bürger ein, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen: „Wie gelingt es uns, interreligiöse Begegnungen zu schaffen, ohne den eigenen Glauben und die eigene Weltanschauung zu ignorieren?“

Im Rahmen der Einladung waren die Einwohner bereits aufgefordert worden, ein Symbol mitzubringen, das sie persönlich mit einem Fest verbinden. Hierzu waren die Feste Taufe, Hochzeit und Trauerfeier vorgegeben. Der Abend begann mit zwei kurzen Einführungen in die Lebensfeste aus Perspektive des christlichen Glaubens und aus der muslimischen Sicht. Danach waren die Anwesenden dazu aufgefordert, an Tischgruppen mit bis zu 5 Personen in Austausch zu kommen. Auf jedem der kleinen Tische – ähnlich einem Couchtisch – lag hierfür ein Symbol entsprechend der Feste aus. Nach etwa 15 Minuten voll reger Diskussion an den Tischen wurde dazu aufgefordert ein weiteres der drei Feste am Tisch zu diskutieren. Am Ende teilten die Anwesenden im Plenum mit, wie sie den Dialog am heutigen Abend empfanden: Der Wunsch nach weiterem Austausch besteht weiterhin.

Dieser Abend zeigte uns einmal mehr wie wichtig es ist, Themen wie Religion offen anzusprechen und auch zu Gesprächen darüber einzuladen. Von Beginn an beteiligten sich alle Teilnehmer (etwa 20) rege am Gespräch. Ehrenamtliche Dolmetscher übersetzten das gesprochene Wort unter anderem auf Arabisch. So konnte sich eine Dame dazu äußern, dass ein Ehering in Gold in ihrem Heimatland vom Ehemann nicht getragen werden dürfe. Goldschmuck zu tragen – das sei wiederum nur einer Frau gestattet. Solche Aha-Momente gab es mehrere an diesem Abend. Kulturelle Unterschiede wurden im Dialog sichtbar und hinterfragt. Eine Atmosphäre entstand, in der sich jede Frage ohne Hemmungen stellen ließ.

© Stadt Holzgerlingen

Nach diesem Abend können wir uns sehr gut vorstellen, wie die Gespräche vor Ort während des Förderzeitraums ausgesehen haben. So wurden in Holzgerlingen für die Nachbarschaftsgespräche alltägliche Orte wie das Nähcafé als Veranstaltungsort gewählt, um einen niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen.

Auf zum neuen Integrationskonzept: Wir freuen uns über ein gelungenes Vorhaben in Möglingen!

 

Das Integrationsverständnis der Gemeinde Möglingen
© Allianz für Beteiligung

Im März waren wir beim Abschlussabend der „Integrationswerkstatt“ in Möglingen dabei. Nach einem Grußwort der Bürgermeisterin, Rebecca Schwaderer, erfuhren wir alles über die Ergebnisse vor Ort. Das Ziel war es, gemeinsam mit den Bürgern ein Integrationskonzept für die Gemeinde zu erarbeiten. Die erarbeiteten Ergebnisse lieferten das Material dafür. Diese werden nun zu einem Integrationskonzept weiter ausgearbeitet. Hierzu wird auch der Gemeinderat eingebunden.

Bei den Nachbarschaftsgesprächen wurden neben den Einwohnern auch Einrichtungen und Vereine aus Möglingen einbezogen. Es war der Gemeinde ein Anliegen möglichst umfangreich zu erfragen, wie die Wahrnehmungen und Erfahrungen zum Thema „Integration und Teilhabe“ sind. Dafür sollten möglichst alle Personengruppen aus Möglingen in den Prozess mit eingebunden werden. Hier übernahmen vor allem die sogenannten „Brückenbauer“, auch „Multiplikatoren“ genannt, eine wichtige Rolle. Sie sprachen beispielsweise in ihrem direkten Umfeld sowie in ihren Vereinen Menschen mit Migrationshintergrund an und erzählten ihnen von dem Vorhaben der Gemeinde. Mit Erfolg – denn sie kamen zur Veranstaltung.

Am Abschlussabend selbst freuten wir uns über die rege Beteiligung aus dem Publikum. Die Teilnehmer stellten Rückfragen zu den Ergebnissen und teilten den Anwesenden von sich aus mit, was sie in ihrem Verein in der Folge bereits umsetzten. Vor allem die Frage „Wann bekommen wir dann wieder Infos?“ stellten die Teilnehmer des Öfteren an diesem Abend. Die Gemeinde antwortete auf diese Fragen sehr ausführlich und verwies auf die nächsten Schritte. Aus diesen Rückfragen nehmen wir für uns mit, stets die notwendige Transparenz der Ergebnisse mitzudenken!

© Gemeinde Möglingen