VIRTUELLE BÜRGERKONFERENZEN IN FREIBURG

3. Juni 2020

Wie gemeinsam und demokratisch Zukunft gestalten, wenn wir uns wegen Kontaktbeschränkungen in Corona Zeiten nicht im größeren Rahmen treffen können? Vor dieser Herausforderung stehen im Moment viele Bürger*innen, Verwaltungen und politische Gremien. Der Verein Allianz für WERTEorientierte Demokratie – kurz: AllWeDo e.V. aus Freiburg hat mit Online-Bürgerkonferenzen für die Stadtteile Vauban und Haslach Mitte Mai 2020 eine mögliche Lösung ausprobiert. Und wir als Allianz für Beteiligung haben uns gedacht: das finden wir spannend, da sind wir dabei, hier unterstützen wir. Der Beteiligungstaler als Förderprogramm diente als finanzielles Unterstützungsformat und Hannes Schuster und Andrea Schätzle von der Allianz für Beteiligung entschieden sich als Co-Moderator*in bei den virtuellen Veranstaltungen mitzuwirken. Am Ende dieses BLOG-Posts berichten die beiden von ihren Erfahrungen und Eindrücken vom auch für sie neuen Format. Zunächst möchten wir jedoch kurz den allgemeinen Ablauf der Bürgerkonferenzen von AllWeDo vorstellen. Vielleicht motiviert es Sie ja zum Nachmachen?

Ablauf der Veranstaltung:

Vor der Veranstaltung:

Über eine Anmeldeseite im Internet konnten sich Teilnehmer*innen für ihren Stadtteil anmelden und gleichzeitig ihre Themen für die Veranstaltung eintragen. Diese Themen wurden dann am Abend der jeweiligen Konferenz zu Gruppenthemen. Gleichzeitig wurden Mitglieder der Stadtverwaltung und des Gemeinderats Freiburgs und Presse zur Veranstaltung eingeladen. Ihre Rolle war die der Zuhörer*innen. Am Tag der Konferenz erhielten alle Teilnehmer*innen, Co-Moderator*innen und Zuhörer*innen eine Mail mit den Zugangsdaten zum Konferenzsystem, einer Anleitung, wie es mit dem Anmelden funktionieren sollte und einer Telefonnummer, für Fragen, sollte es mit dem Zugang nicht funktionieren. Die Veranstaltung selber wurde mit dem Konferenzsystem „ZOOM“ durchgeführt.

Beginn der Veranstaltung:

Bereits 1 Stunde vor offiziellem Beginn war es möglich, sich anzumelden, um von den Organisator*innen technische Unterstützung zu erhalten. Um 17 Uhr fand dann der offizielle Start statt. Die Hauptmoderation begrüßte alle Anwesenden. Mittels einer für alle Teilnehmer*innen sichtbaren Präsentation wurden die Funktionen von „ZOOM“ erklärt, die lösungsorientierte Motivation für die Veranstaltung genauer erläutert und der Ablauf des Abends erklärt. Auch der Oberbürgermeister kam zu Wort. Eine kurze, im Vorfeld aufgezeichnete Videonachricht des Oberbürgermeisters der Stadt Freiburg, stimmte auf den Abend ein und gab der Veranstaltung den offiziellen Rahmen. Da es sich trotzdem bei der Konferenz um einen Austausch auf Augenhöhe handelte, wurde mittels Handzeichen vereinbart, dass sich alle mit „Du“ ansprechen. Um mit den Teilnehmer*innen in den Austausch zu kommen, erhielten alle einen Zugangscode zu „Menti“ – einem virtuellen Umfragetool (https://www.mentimeter.com/). Allen war es dann möglich zeitgleich über den eigenen Browser Fragen zu beantworten, deren Ergebnisse unmittelbar durch das Programm grafisch aufbereitet und für alle sichtbar gemacht wurden. Dieses Tool begleitete die gesamte Veranstaltung.

Erster Austausch in Kleingruppen:

Nach diesem ersten Stimmungsbild wurden die Teilnehmer*innen in Kleingruppen von circa vier Personen mit den Co-Moderator*innen eingeteilt. Dieser Vorgang erfolgte im Hintergrund durch eine Organisator*in. In den nächsten 15 Minuten fand in virtuellen Gruppenräumen ein erstes Kennenlernen und ein Austausch zu mitgebrachten Themen, Angeboten und Bedarfen statt. Die Co-Moderator*innen hörten aufmerksam zu und übermittelten über die private Chatfunktion neu aufkommenden Aspekte an eine Organisator*in, die im Hintergrund eine Excel-Tabelle ergänzte, auf welcher bereits die bei der Anmeldung eingereichten Themen der Teilnehmer*innen aufgeführt waren.

Themenwahl:

Zurück in der Großgruppe hieß es zunächst kurze fünf Minuten Pause für alle, bevor es dann an die Vorstellung der gesammelten lokalen Themen und die Gruppeneinteilung ging. Jede*r erhielt dafür über den Chat den Link zu der auf einem Share-Point gespeicherten Excel-Tabelle und konnte wählen, an welchem Thema sie oder er gemeinsam mit anderen in der nächsten Kleingruppenphase arbeiten wollte. Dafür musste der Name, so wie er in der Zoom-Anmeldung angegeben wurde, eingetragen werden. Der im Hintergrund arbeitende Organisator*in war es auf diese Weise möglich die Teilnehmer*innen für die nächsten 45 Minuten in die jeweiligen Gruppen zu schicken.

Erste Arbeitsphase in Kleingruppen:

Durch diese zweite Kleingruppenphase führte wieder die Co-Moderation. Damit die Arbeitsergebnisse am Ende der Veranstaltung sichtbar gemacht werden konnten, wurden die Ergebnisse währen der Gruppenphase in eine auf ebenfalls einem Share-Point gespeicherte Präsentation von den Co-Moderator*innen eingetragen. Da die Moderation den Bildschirm mit den anderen Gruppenmitgliedern teilen konnte, war die Präsentation mit den Leitfragen und den Ergänzungen immer für alle sichtbar. Ziel dieser Gruppenphase war es lösungsorientiert an der Themenstellung zu arbeiten und einen prägnanten Titel für ihren Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

Zurück in der Großgruppe:

Dieser wurde dann nach Ende der Gruppenarbeit für die Großgruppe sichtbar gemacht. Dafür hatten die Co-Moderator*innen einen eigenen Code für ein Menti, so dass alle Gruppensätze auf einer Folie abgebildet werden konnten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt der Konferenz kamen die Zuhörer*innen aus Politik und Verwaltung dazu. Nun konnten sich Teilnehmer*innen entscheiden weiter an ihrem Thema zu arbeiten, oder für die nächste Konkretisierungsphase lieber in eine andere Gruppe zu wechseln. Dazu sollten sie sich über den Chat bei der Organisator*in im Hintergrund melden oder sie hatten die Möglichkeit im Gruppenraum auf den Button „Gruppe verlassen“ zu drücken. Dann kamen sie zurück in die Großgruppe und konnten den dort verbliebenen Organisator*innen sagen, zu welcher Gruppe sie gerne zugeteilt werden wollten.

Zweite Arbeitsphase in der Kleingruppe:

Zu den einzelnen Gruppen wurden auch die Zuhörer*innen aus Verwaltung und Politik verteilt. Sie hatte nun die Möglichkeit zuzuhören, Rückfragen zu stellen und Unterstützung anzubieten. Ziel dieser Gruppenphase war es, konkrete Ansätze zur Umsetzung der Lösungsansätze zu vereinbaren, eine Art Projekttitel zu formulieren, Ansprechpartner*innen zu benennen und einen Termin für ein nächstes Treffen zu vereinbaren. Dies wurde auf einer Folie in der geteilten Präsentation festgehalten und nach 30 Minuten in der Großgruppe von einem Gruppenmitglied kurz vorgestellt.

Präsentation der Gruppenergebnisse in der Großgruppe:

Diese letzte Präsentationsphase wurde zur Dokumentation aufgezeichnet. Zuvor wurde dafür das Einverständnis der Präsentierenden eingeholt. Am Ende folgte eine letzte Umfrage über Menti und dann endetet die Drei-Stunden-Veranstaltung mit nur fünf Minuten Verlängerung durch eine freundliche und positiv nach vorne blickende Verabschiedung hin zu den Teilnehmer*innen an die Küchentische, auf die Sofas und Schreibtische in Freiburg.

Erfahrungsbericht Andrea Schätzle (Co-Moderatorin am 12.05.2020 für den Stadtteil Freiburg-Vauban):

Als ich gefragt wurde, ob ich AllWeDo bei einer Online-Bürgerkonferenz unterstützen möchte, zögerte ich nicht lange, bis ich ja sagte. Und jetzt bin ich sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Besonders wichtig für mich war es, dass sich im Vorfeld alle Co-Moderator*innen mit den Organisator*innen bei einer virtuellen Train-the-Trainer Veranstaltung treffen konnten. Wir wurden genau über unsere Rollen und Aufgaben informiert, wir hatten die Möglichkeit das Konferenztool auszuprobieren und der Ablauf wurde Schritt für Schritt besprochen. Im Zuge dieser Veranstaltung erhielt ich auch die Links zu den Präsentationen, der Excel-Tabellen und dem Ablaufplan. Alles abgespeichert auf einem Share-Point. So hatte ich ausreichend Einblicke, um mich auf den Abend vorzubereiten. Als ich mich, wie vereinbart, 15 Minuten vor Beginn einwählte, waren alle notwendigen Dokumenten im Browser geöffnet, der Ton und die Kamera funktionierten, der Ablaufplan lag ausgedruckt und mit meinen Ergänzungen erweitert neben mir, mein Wecker stand für die Aufgabe als Zeitwächterin auf dem Schreibtisch, ein Glas Wasser war griffbereit und ich hatte den Dozentinnen-Blazer J angezogen. Aber ganz ehrlich – ich war schon etwas nervös.

Diese Nervosität verflog allerdings schnell, als ich bekannte Gesichter sah und mich ein herzliches „Hallo“ über mein Head-Set erreichte. Nach und nach trudelten die Teilnehmer*innen ein. Ich hörte, wie eine junge Stimme einer älteren Stimme erklärte, wie der Ton und das Bild einzustellen sei und ich sah und hörte, wie sich einige freuten, bekannte Gesichter zu sehen und diese herzlich begrüßten. Je mehr Menschen dazu kamen, desto schwerer wurde es zuzuordnen, welche Stimme zu welchem Bild gehörte. Manche hatte auch keine Kamera an – da war es dann fast nicht möglich wahrzunehmen, wer gerade spricht. Besonders begeistert hat mich, dass eine Gebärdendolmetscherin dabei war, die für eine Teilnehmer*in übersetzte. Es waren sowohl junge Menschen, als auch etwas ältere Menschen anwesend. Kurz vor offiziellem Beginn wurde Musik eingespielt. Das führte auf der einen Seite dazu, dass die Unterhaltungen weniger wurden und zum anderen lockerte es die Stimmung noch weiter auf. Mittels einer Folien-Präsentation und eins online-Umfrage Tools wurde durch die Veranstaltung geleitet. Das gab dem Ganzen eine sehr gute Struktur.

Die Gruppenphase, in denen ich ja eine aktive Rolle übernahm, verliefen sehr gut. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es, den Bildschirm zu teilen und darauf mitzuschreiben. Durch die zeitgleiche Nutzung der Dokumente von vielen, erschienen Buchstaben verzögert auf dem Dokument. Da ich mit zwei Bildschirmen gearbeitet habe, musste ich immer meinen Kopf auf die Seite weg von der Kamera drehen, um zu sehen, was ich schreibe. Das hatte ich allerdings davor der Gruppe erklärt. Das nahende Ende einer Gruppensitzung wird angezeigt durch Einblenden einer rückwärtslaufenden Uhr. Bei Ablauf werden alle wieder zurück in die Großgruppe befördert. Anders als in der analogen Welt, verliert sich die Gruppe schlagartig aus den Augen. Ich musste daher genau auf die Zeit achten, um die im Vorfeld besprochenen Ziele zu erreichen und die Dokumente, die dann für den Weitergang der Veranstaltung wichtig sind, zu befüllen.

Alles andere ähnelt der Moderation einer analogen Gruppenarbeit. Die Aufgabe klären, technische Unterstützung anbieten, die Teilnehmer*innen einbinden (und hier ist es super, dass über dem Bild der Name der Person angezeigt wird – für mich eine sehr große Hilfestellung für die persönliche Ansprache), gleichberechtigte Wortbeiträge, Gesagtes zusammenfassen, nachfragen, Zeit ansagen, usw. Eine Teilnehmerin hob im Nachgang hervor, dass es für sie sehr wichtig war, dass das digitale Format viele visuellen Elemente hatte. Seien es die Menschen, die man sehen konnte, die interaktiven Schaubilder der Umfragesoftware oder die sich entwickelnden Präsentationen.

Mein Fazit: Eine digitale Bürgerkonferenz benötigt einen sehr gut strukturierten und einen an alle aktiven Rollen gut kommunizierten Ablaufplan. Nur so ist es möglich, den Teilnehmer*innen die notwendige Sicherheit in einem häufig unbekannten Umfeld zu geben, die diese benötigen, um sich auf die Themen einlassen zu können. Daher sollte sich am Anfang einer virtuellen Veranstaltung auch ausreichend Zeit genommen werden, um die Technik und die Umgebung zu erklären und Nachfragen zu ermöglichen. Schade war, dass am Ende der Versammlung keine Small-Talk-Gespräche mehr stattfinden konnten, wie das im analogen Raum fast immer der Fall ist. Aber trotzdem kann ich aus meiner Sicht dieses Format, gerade in Zeiten der Kontaktbeschränkungen, sehr empfehlen, da auch hier ein produktives und kreatives Miteinander entstehen kann.

Erfahrungsbericht Hannes Schuster (Co-Moderator am 19.05.2020 für den Stadtteil Freiburg-Haslach):

Bürgerbeteiligung funktioniert auch digital: Das ist ein Learning der Corona-Pandemie in unserer Geschäftsstelle – und auch ein ganz persönliches. Als Mensch, der den direkten Kontakt mit Menschen sehr schätzt, hatte ich vor der Pandemie Vorbehalte gegen digitale Formate. Bei der Online-Bürgerkonferenz von AllWeDo in Freiburg-Haslach hatte ich nun die Gelegenheit, den Realitätscheck zu machen. Und ich muss festhalten: Es hat wirklich Spaß gemacht. Gerade die Kombination aus Großgruppen und Kleingruppenaustausch, die mit den richtigen Tools auch online funktioniert, macht die besondere Mischung aus. Und so vergingen auch drei Stunden wie im Fluge.

Es war schön, am Beispiel zu erleben, wie rasch konkrete Ideen in den mehrfach zusammengekommenen Kleingruppen entstanden. Unterstützt durch eine cloudbasierte Speichermöglichkeit wurden die Ergebnisse in prägnanter Form zum Schluss allen Teilnehmer*innen präsentiert. So blieb hoffentlich bei den meisten das Gefühl, das auch in mir den Restabend verblieb: Wir haben auch online einiges angestoßen. Ich drücke den Haslachern beide Daumen, dass die tollen Ansätze wie das angedachte Pop-Up-Format am Haslacher Dorfbrunnen oder die temporär umgenutzten Stadtträume schnell umgesetzt werden können. Wenn sich dabei alles so ins Zeug legen, wie in der Online-Bürgerkonferenz, stehen die Chancen sehr gut!