Miteinander reden kann schwierig sein – Projektbesuch in Pforzheim

28. November 2022

In Pforzheim sind in den letzten Jahren Gesprächsräume im geschütztem Rahmen zu kontroversen und konfliktären Themen entstanden. Gestartet ist alles ursprünglich als „Denkraum Corona“, um Menschen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen und Gemeinsamkeiten wieder erkennbar zu machen. Dieser Mut für Gespräche auch zu konfliktären Themen hat der Initiative jüngst auch den Preis für Verständigung im Rahmen des Kongresses des Bundesverbands MEDIATION e.V. eingebracht.

Einer der Initiatoren der Denkräume von #zusammenhalten Pforzheim stellt fest,dass es den Menschen leichter fällt, übereinander und nicht miteinander zu sprechen. Dies soll sich in den Denkräumen ändern. Mit diesen Gesprächsanlässen kann es wieder gelingen, miteinander zu sprechen und sich gegenseitig zuzuhören. Im Mittelpunkt dieser besonderen „Nachbarschaftsgespräche“ stehen also die gegenseitige Zugewandtheit und das aktive Zuhören.

Am Samstag, 19.11. waren wir vor Ort und konnten Teil eines solchen Denkraums sein. Auch wenn sich der Fokus inzwischen von „Covid“ eher genereller in Richtung „Krisen“ entwickelt hat. Auf Einladung der Bürgervereine, durch Presseartikel und Ansprache der Pfarrer*innen in den Gottesdiensten kommen 15 Personen aus den Stadtteilen Sonnenhof, Sonnenberg, Dillweißenstein und Wacholder in der Bruder Klaus Begegnungsstätte zusammen, um sich auszutauschen und vor allem: sich zuzuhören. Dabei wird schnell klar, dass es viel gibt, was die Menschen vor Ort bewegt und beschäftigt. Neben Themen zur Gestaltung des Nahraums, sind auch die Klimaentwicklung, die Zunahme rechtsgerichteter Einstellungen in der Kommune und darüber hinaus, der Ukraine-Krieg oder die Einbindung von Migrant*innen, Fragen, die die Menschen vor Ort umtreiben.

Organisiert vom Bündnis #zusammenhalten und moderiert von Dr. Jürgen von Oertzen, einem in Konfliktmediation geschulten externen Moderator ist dies nicht der erste „Denkraum“ der nach diesem strukturierten Muster stattfindet und hilft, dass sich Menschen wieder annähern.

Zuhören im Mittelpunkt

In der ersten Austauschphase, steht tatsächlich das unkommentierte und wertungsfreie Zuhören im Mittelpunkt. Um das persönliche Thema und die Gedanken dazu darzustellen, hat jede*r Gesprächsteilnehmer*in nacheinander sieben Minuten Zeit. Wichtig ist dabei, sich nur auf sich selbst und die eigenen Gedanken zu beziehen und nicht auf die Aussagen der Vorredner*innen.

Daran folgt eine dreiminütige Wertschätzungsrunde, in dieser begegnen sich die Gesprächspartner*innen mit einem Lob oder Kompliment, welches nicht an den Inhalt des Gesagten geknüpft ist. Damit können die Teilnehmenden sich wertschätzend gegenübertreten, ohne dafür den Inhalt der Gesprächspartner*inne teilen zu müssen. Dadurch gelingt eine Wahrnehmung und Begegnung auf Augenhöhe – trotz mitunter verhärteter Fronten und verschiedener Sichtweisen. In der zweiten Phase des Denkraums können die Gesprächsrunden neu gemischt werden. Frei nach dem Motto „Mit dieser Person wollte ich unbedingt noch sprechen“ oder „Hier ist etwas gesagt worden, das mich neugierig gemacht hat!“. Der Ablauf der zweiten Phase ist ähnlich allerdings deutlich verkürzt. Innerhalb von 20 Minuten sprechen die Teilnehmenden in Kleingruppen im zweiminütigen Wechsel – dabei darf sowohl Bezug auf bereits geteilte Inhalte und Gesagtes genommen werden als auch vollkommen neu und anknüpfungslos gedacht und das eigene Thema eingebracht werden – auch hieran folgt die beschriebene Wertschätzungsrunde.

Am Ende bleibt das Gefühl, gehört worden zu sein und steht die Frage im Raum, wie es nun weitergehen kann oder soll. Was passiert mit den Erkenntnissen, mit den Kontakten und dem Wunsch nach der Entwicklung in den Stadtteilen? Und es wird schnell klar, dass es weitergehen und einen Folgetermin geben soll. Die Ziele der Teilnehmenden? Konkreter werden und über Lösungen nachdenken – außerdem: Diverser werden und mehr Menschen aus den Stadtteilen persönlich ansprechen und mitbringen.