Graswurzelengagement zur Demokratiestärkung

19. Juni 2023

Ein Mütterzentrum tritt im badischen Ettlingen entschlossen der Vereinzelung in der Gesellschaft entgegen

 

Auch die trockene Hitze verhinderte nicht, dass der neue Treffpunkt im Ettlinger Gatschina-Park quasi nicht mehr zu sehen ist. Denn alle Bänke sind zur Eröffnung voll besetzt, mit rund 50 interessierten Ettlinger*innen. Die Eröffnung des Treffpunkts ist krönender Abschluss eines rund eineinhalbjährigen Beteiligungsprozesses, der im Förderprogramm Nachbarschaftsgespräche gefördert wurde. Im Beisein von Oberbürgermeister Johannes Arnold, Vertreter*innen verschiedener Ämter und der Lokalpresse duften nun alle gemeinsam feiern, was im Rahmen der Projektumsetzung Stück für Stück entstand: Ein Ort des niederschwelligen Austauschs im Ettlinger Musikerviertel, das direkt an den Gatschina-Park angrenzt.

Das  Ettlinger Musikerviertel ist gekennzeichnet durch eine heterogene Bewohnerstruktur. Viele Menschen kamen in Folge der Nachverdichtung dazu. Jedoch, der quartiersübergreifende Austausch und ein Quartierstreffpunkt fehlten noch. Die Corona-Pandemie und beginnende Vereinzelung taten ab Anfang 2020 ihr übriges. Also stellte das Team um Kirsten Wandelt und Helga Hinse im Frühjahr 2022 einen Antrag im Förderprogramm „Nachbarschaftsgespräche“. Ziel war es, den Gatschina-Park nachhaltig zu beleben und wieder eine Möglichkeit des Treffpunkts zu schaffen. Ihre langjährige Expertise aus dem Effeff, das als Mütterzentrum bereits eine Ankerfunktion in der mittelbadischen Stadt innehat, half ihnen dabei.

 

Zum Zeitpunkt der Antragstellung stand im Park nur ein voller Mülleimer. Im Schatten der Bäume im Sommer 2023 sind es nun gemütliche Bänke, ein vollgepackter, nigelnagelneuer Bücherschrank und zur Eröffnung ein gedeckter Tisch mit Getränken zur Erfrischung. Dank weiterer Kooperationen im Laufe des Projekts mit der Stadt und der Ettlinger Bürgerstiftung wurde dies erst möglich. Doch dass auch Profis auf diesem Weg die eine oder andere Schleife drehen mussten, davon berichtet Helga Hinse in ihrem Bericht im Rahmen der Eröffnung. Ein im Nachhinein gesehen recht hochschwelliges Urban-Gardening-Projekt stellte man sich zur Projektbeginn vor. Doch die Quartiersbewohner*innen hatten ganz anderes im Sinn. Ganz im Sinne einer Breiten Beteiligung, bei der den Teilnehmenden das Agenda-Setting überlassen wird, beharrte niemand auf dem anfänglichen Projekt-Entwurf. Und mit der Zeit entstanden Angebote direkt aus der Bürgerschaft wie eine Strick- oder Trommler*innen gruppe, die den neuen Treffpunkt im Gatschina-Park belebten. Ganz anders als erst gedacht, aber Beteiligung denkt eben nie nur vom Ende her.

Ein weiteres Highlight im Förderzeitraum war der Martinsumzug, der von über 200 Menschen besucht wurde. Noch heute erinnern sich alle gerne daran. Dass diese Gelegenheiten des Austauschs auch einen tieferen Sinn haben, das machte Hinse zum Schluss noch einmal deutlich.

In Ettlingen wird Basisarbeit zur Stärkung der Demokratie verrichtet

Wir verrichten hier Basisarbeit zur Stärkung der Demokratie. Das sei kein „nice to have“ und erfordere auch auf Dauer angelegte, auskömmliche Finanzierungsperspektiven, so Hinse. Aktuelle Studien bestätigen das: In einem von der Robert Bosch Stiftung finanzierten Impulspapier werden eben jene niedrigschwelligen, zum Teil vor-politischen Formate als geeignete Möglichkeit herausgestellt, mit Menschen wieder in das Gespräch zu finden, die Gesellschaft und Demokratie schon lange den Rücken gekehrt haben.

Graswurzelengagement zur Demokratiestärkung! In Ettlingen feiern sie vorerst einfach ihren neuen Quartiersmittelpunkt. Auch das Staatsministerium als Fördergeber des Programms und die Allianz für Beteiligung gratulieren dazu!