Abgewandt und tief frustriert
Warum sich Armutsbetroffene von der Demokratie verabschieden
„Soziale Ungleichheit – eine Gefahr für die Demokratie?!“ Mit dieser spannenden Frage stieg der Evangelische Fachverband für Arbeit und soziale Integration sowie das Sozialunternehmen Neue Arbeit gGmbH in eine Fachveranstaltung in Stuttgart ein. In einer spannenden Diskussion stellten sich Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Stefanie Bremer von taxmenow (Initiative für Steuergerechtigkeit e.V.) dieser Thematik. Taxmenow, deren Mit-Gründerin Stefanie Brehmer selbst Erbin ist, setzt sich unter anderem aktiv für eine reaktivierte Vermögenssteuer in Deutschland ein.
Hintergrund der Veranstaltung war die Beobachtung einer stetig wachsenden Ungleichheit in Deutschland. Sie stellt für unsere Gesellschaft ein großes Problem dar. Gerade auch, da arme Menschen der Demokratie aus tiefer Frustration immer öfter den Rücken kehren. Sie empfinden die Ungleichheit als ungerecht und ziehen sich zurück oder wählen gar extremistisch eingestellte Parteien. Zu Beginn stellte Moderatorin Rebecca Lo Bello bedrückende Zahlen aus einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung vor: 47 Prozent der als arm geltenden Menschen hätten der Studie folgend kein Vertrauen (mehr) in den deutschen Bundestag. Unter reichen Menschen sind es lediglich 20 Prozent. Man könnte sagen: immer noch genug an Unzufriedenen. Trotzdem ein deutlich geringerer Wert.
Einen Ausblick zum Thema wagten nicht nur Aras und Bremer auf der Bühne. Auch aktive Demokratiebegleiter*innen der EFAS stellten Beobachtungen und Strategien vor, um Menschen wieder für die Demokratie und ihre Chancen zurück zu gewinnen. Diese Statements formulierten sie auf sehr persönliche Art und Weise. Die darin durchscheinende tiefe Enttäuschung sorgte für einen mucksmäuschen-stillen Saal. Doch man lies das Publikum damit nicht zurück.
Folgende Maßnahmen schlugen die Vortragenden für die Zukunft vor:
– Eine aufsuchende Beteiligung und aktives Zuhören: Perspektiven armer Menschen müssen pro-aktiv eingeholt werden, damit diese im demokratischen Diskurs wieder verstärkt auftauchen.
– Bildungsgerechtigkeit steht nicht nur in der baden-württembergischen Landesverfassung; ihre Einlösung würde die Spanne zwischen armen und reichen Menschen perspektivisch deutlich verringern. Gleiche Bildungschancen zu schaffen sei „eine Herkulesaufgabe“ (M. Aras), aber unerlässlich, um bei der Bekämpfung von Armut und Demokratieverdrossenheit voranzukommen.
– (Erweiterte) Teilhabe braucht Umverteilung: Eine Vermögensabgabe für Millionen- und Milliardenvermögen könnte verstärkte Ausgaben im Sozial-, und Bildungs-, und Wohnbereich refinanzieren, die aufgrund der Schuldenbreme vom Staat derzeit nicht finanziert werden können.
Der Livemitschnitt der Veranstaltung findet sich hier.